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Auszug aus dem Buch: Das verwundete Herz von Dan B. Allender (Psychologe, Seelsorger)



"Sexuelle Störung und Sexsucht

Sexuelle Probleme scheinen fast so etwas wie eine natürliche Folge von sexuellem Missbrauch zu sein. Nicht alle Missbrauchsopfer bekommen später schwere sexuelle Probleme; manche finden zu normaler Erfüllung und schaffen es, Körper und Seele wieder als Einheit zu erleben. Andererseits haben viele zumindest geringe Probleme, weil ihre Seele sich immer dann verabschiedet, wenn sie sexuelle Intimität erleben. Die abgespaltene Seele ist quasi unbeteiligt; der Körper verhält sich wie ein Zombie, kann höchste sexuelle Erregung selbst erfahren und dem Partner verschaffen. Schwierig wird es erst dann, wenn die Seele sich zu reintegrieren beginnt. Manche Paare hatten jahrelang ein erfülltes Sexualleben und bekamen in dem Augenblick Probleme, als ein Partner begann, die eigenen Missbrauchserfahrungen aufzuarbeiten. Das `neue`Problem ist Ergebnis von augestauten Rückständen, die in einer sicheren und entspannten Umgebung (oft im Sprechzimmer eines Beraters) an die Oberfläche drängen. Oft wird deshalb die Untersuchung der alten Wunde dafür verantwortlich gemacht, dass eine so genannte `gute`sexuelle Beziehung ruiniert worden ist.
Viele sexualle Probleme lassen sich auf einen Nenner bringen; mangelndes Interesse oder gar Widerwille. Ein Mann oder eine Frau kann wenig oder gar kein Verlangen nach sexueller Begegnung haben, dabei kann prinzipiell schon die Fähigkeit vorhanden sein, sexuelle Erregung bis zum Orgasmus zu erleben. Ich habe Männer wie Frauen sagen hören: "Mein Ehepartner ist wirklich gut im Bett, aber mich langweilt es. Sex ist nicht halb so spannend, wie immer behauptet wird. Mangelndes Interesse ist oft eine stumme Rebellion und soll verhindern, dass verborgene Erinnerungen und unklare Gefühle in der sexuellen Begegnung hervorbrechen.
Widerwille oder gar Ekel sind eine stärkere und aktivere Art der Verteidigung. Der widerwille richtet sich normalerweise gegen den Geschlechtsverkehr oder gegen den Sexualpartner (sein Geschlecht oder seine Person). Manche können ihren eigenen Körper nicht ertragen oder finden den Partner zu männlich bzw. zu weiblich - oder nicht männlich bzw. weiblich genug, oder sie empfinden generell einen Widerwillen gegen Männer oder Frauen...
Exhibitionismus, Voyeurismus, Pädophilie, Homosexualität, Transvestismus und Fetischismus sind oft (eher manchmal A. d. R.) eng verknüpft mit Erfahrungen von sexuellem Missbrauch. Wann immer ein Mann mit einer Neigung zu sexuellen Perversionen kämpft, ziehe ich in Betracht, dass dieser Mensch missbraucht worden sein könnte. Dies trifft noch eher auf Frauen zu, denn sexuelle Perversionen treten vornehmlich bei Männern auf (82 Prozent Männer zu 18 Prozent Frauen). Wenn also eine Frau sich pervers verhält, liegt höchstwahrscheinlich ein sexuelles Trauma in ihrer Vergangenheit vor.
Sexuelle Abhängigkeiten und Zwangshandlungen sind ein weiterer möglicher Hinweis auf erlittenen sexuellen Missbrauch. Sexuelle Abhängigkeit hat manches gemeinsam mit anderen Arten von Suchtverhalten. Alle Süchte und Zwänge, gleich wie bizarr oder zerstörerisch sie sind, bieten dem Betroffenen eine Möglichkeit, Erleichterung zu finden und Rachegedanken Raum zu geben. Das Entlastungsmoment ist leichter zu verstehen. Wer chronisch masturbiert oder ständig sexuelle Abenteuer sucht, findet offensichtlich große Befriedigung durch die sexuelle Handlung. Das kann freilich nicht erklären, warum zum Beispiel ein Voyeur oder ein Exhibitionist seine Familie, seine Karriere und seinen Ruf aufs Spiel setzt für einen Orgasmus, den er auch unter vielfältigen anderen, weniger gefährlichen Umständen bekommen könnte. Es erklärt auch nicht den Hang des Sexsüchtigen, alles im Leben unter sexuellen Gesichtspunkten zu betrachten. Da ist noch etwas anderes im Spiel außer dem Verlangen nach Erleichterung und Befriedigung. Sexuelle Zwänge, Promiskuität und Perversion können auch Wege sein, um Rache zu üben.
Rache ist in diesem Zusammenhang das Ausleben von tief verinnerlichtem Hass auf andere, (Verachtung) oder auf sich selbst (Selbstverachtung). Diese Rache bestraft sowohl den Täter, der einem in der Vergangenheit geschadet hat, als auch das Opfer für seine unterstellte Einwilligung und für die noch im Unglück verspürten Glücksmomente. Manchmal ist das Handlungsmuster offensichtlich stärker mit Selbstverachtung gekoppelt (Masochismus), in anderen Fällen erkennbar mit der Verachtung anderer (Sadismus, räuberische sexuelle Promiskuität, Gigolo- und Hurenrolle). Häufiger finden sich beide Seiten in ein und demselben Handlungsmuster vereint.
Wer zwanghaft masturbiert, ringt oft darum, sich unter Kontrolle zu halten, bis entweder ein frustrierendes oder ein erregendes Ereignis eintritt. Ich habe einmal mit einer Frau gearbeitet, die sich stets selbst befriedigen musste, wenn sie sich zurückgewiesen fühlte von einem Mann, für den sie sich interessierte. Jedes Mal wurde sie überwältigt von einer Mischung aus Erregung und Frustration. Sie masturbierte und stellte sich vor, wie sie den widerspenstigen Mann eroberte. In der Schlussphase fantasierte sie jeweils davon, dass er ihrer Schönheit, Intelligenz und ihrem Charme erlag und sie ihn dann beherrschte und seine Wünsche kontrollierte. War die erste Befriedigung verflogen, verachtete sie sich für ihr Verhalten, ihre pubertären Fantasien und ihren Mangel an Selbstbeherrschung. Rachegefühle (Macht über den Mann) schlugen unversehens um in Selbsthass. Selbsthass motiviert einen Menschen normalerweise dazu, Fehler wieder gutzumachen durch eine Art Sühne. Schuld drängt den Menschen zur Veränderung und zu moralischem Verhalten, bis er durch enttäuschte Sehnsüchte wieder auf dasselbe tödliche Riff aufläuft und der Prozess von vorne beginnt. Sehnsucht, Enttäuschung, Macht (Rache an anderen), Scham (Selbstverachtung), Selbsthass, Sühne - das sind die Stationen des unseligen Kreislaufs.
Es gilt, das konfuse Wirrwarr von Wünschen nach Erleichterung und Rache zu ordnen und klar zu erkennen, was davon legitime und was illegitime, zerstörerische Motive sind.
Ein Beispiel: Eine Frau, die wenig Interesse an Sex hat, muss zugeben, dass sie ihrem Ehemann legitime Intimität und Erfüllung vorenthält. Aber das allein wird weder ihr Verlangen vergrößern noch die sexuelle Beziehung verbessern, auch wenn sie sich selbst zwingt, auf die Wünsche ihres Mannes einzugehen. Sie muss willens sein zu erkennen, dass ihr Mangel an Interesse zugleich eine Form von Erleichterung ist (Verdrängen von unangenehmen inneren Tatsachen) und eine Form von Rache (Verweigern von Intimität und Befriedigung). Dieses Eingeständnis führt zu der Frage: Warum verschafft es mir Erleichterung, wenn ich etwas verdränge? Warum übe ich Rache, indem ich etwas entziehe? Erst dann kann sie ihr Problem als inneres (seelisches) und moralisches (zwischenmenschliches) Thema betrachten und nicht mehr als Mysterium oder als unabänderliche Tatsache."








Sexuelle Spiele (Missbrauch) und Sexsucht, Peter erzählt:

Ich bin mit mehreren Brüdern aufgewachsen. Eine Zeit lang teilten wir das Zimmer. Als ich ca. 7 Jahre alt war, zeigten mir die älteren Brüder vor, wie man Selbstbefriedigung macht. Ich machte es nach. So wurde ich in meine Sexualität geschubst.

Heute wird mir bewusst, dass man mir, einem Kind, damit so etwas wie eine "geladene Kanone" zum "spielen" gegeben hat, denn hirnbiochemisch geht bei einem Orgasmus, der auch bei einem 7-jährigen voll funktioniert (einfach ohne Samenerguss), ein drogenkickähnlicher Vorgang ab (siehe unter: Was ist Sex- und Pornosucht?). Zudem wurde der natürlichen Entwicklung und Reife um 7 Jahre vorgegriffen (geschlechtsreif wurde ich mit 14 Jahren)! Körperlich war ich also schon in der Lage ein Orgasmus herbeizuführen, seelisch war ich damit aber völlig überfordert. Die Mechanik der Sexualität kam viele Jahre vor dem natürlichen verlangen, das in der Regel eingebetet wird in Beziehungen. Ich erblicke ein Mädchen und habe das Verlangen mit ihm zusammenzusein. Das konnte ich ja mit 7 Jahren noch gar nicht wollen. So lernte ich den Beziehungslosen Sex kennen.

Da ich meine Kindheit nicht sehr glücklich erlebte, war über die Sexualität auch schnell ein mächtiger Tröster gefunden. Zudem kam eine Isolation dazu. Trotz Grossfamilie fühlte ich mich oft allein und ausgeschlossen. Ich wollte vor allem auch zu meinen beiden älteren Brüder, bzw. zur Clique meiner Brüder dazugehören. Das voreinander und gegenseitige Masturbieren gehörte dort dazu.

Ich machte, nach innerem Widerstand, mit. Das voreinander Masturbieren kannte ich ja schon und sie sagten mir, dass das fast alle Jungs machen würden und nichts dabei wäre. Ich fühlte mich in das intime Geheimnis dieser Jungs (angehenden Männern) eingeweiht. Jetzt würde ich auch dazugehören. Hatten wir uns damit nicht ein verbindendes Geheimnis zugelegt? Damals war ich ca. 9 Jahre alt und die anderen Jungs alle deutlich älter.

Das ich später Pornografieabhängig wurde, ist aus dieser Geschichte heraus fast so was wie logisch (ohne die Verantwortung abzuschieben). Sie ist genauso seelen- und beziehungslos wie diese Wichsereien, wie meine ganze sexuelle Entwicklung. Ich forcierte eine Lust, die ich naturgemäss noch nicht hatte. Ich war seelisch überfordert mit dem Orgasmus. Ich empfand noch längst kein Beziehungsbedürfnis zu meiner Sexualität. Mit 7 Jahren findet man Mädchen in aller Regel noch einige Jahre ziemlich doof. Dieser Zugang war mir verwehrt. So war Sex einfach mein Schwanz und der Orgasmus und das Dazugehören wollen. Ich lernte zu benutzen. Mit Beziehung hatte das nichts zu tun. Ausserdem bot mir die Pornografie einen Schutz. Ich musste mich nicht Menschen aussetzen, die mich sowieso benutzen wollten. Die Pornografie gabe mir den lustvollen Kick ohne mich auf Beziehungen einlassen zu müssen. Es gab mir die totale Kontrolle.

Meine Sexualität war immer auch der natürlichen Scham entzogen. Sie stand von Anfang an so etwas wie in der "Öffentlichkeit". Gleichzeitig hat mich diese Sexualität mein halbes Leben lang unendlich beschämt.